Einige Aspekte zum Spielplatz Deutschland

Die Wertvorstellungen der Jugend sind gefährdet und schuld sind wieder einmal die Computerspiele. Die Innenminister der Länder machen es sich zur Aufgabe den Staatsfeind Nr. 1 zu bekämpfen oder ihm zumindest die Waffen zu nehmen. Oder sind die bösen Zocker doch nur ganz normale Menschen, die aus den verschiedensten Motivationen in ihrer wohlverdienten Freizeit Video- und Computerspiele spielen? Eine Studie von EA, Jung von Matt und GEE vs. aspekte …

 

In den letzten Tagen konnten wir Gamer wieder einmal Zeuge von tendenzieller Berichterstattung in Reinform werden, denn der Fernsehsender der die Botschaft vermittelt, ‚mit dem Zweiten besser zu sehen‘, hat einmal mehr bewiesen, dass es für Deutschlands Innenminister keine wichtigeren Probleme gibt, als endlich die USK abzuschaffen und eine Jugendpolitik zu betreiben die von Zensur und Vorurteilen geprägt ist.
Völlig anders liest sich hingegen die heute auf den Münchner Medientagen vorgestellte Studie, die in Zusammenarbeit von Jung von Matt, EA und GEE erstellt wurde. Dort wird uns das Bild von ausgeglichenen, mitten im Leben stehenden Gamern vermittelt, die aus den verschiedensten Motivationen spielen und offensichtlich weder brutal, abgestumpft oder asozial sind.

Doch was verbirgt sich hinter beiden Berichten? Um das herauszufinden, habe ich mir für euch die Zeit genommen und sowohl den Beitrag in der Sendung aspekte, als auch die Studie Spielplatz Deutschland ein bisschen näher unter die Lupe genommen.
Während uns im Fernsehbeitrag erfolgreich das Gefühl vermittelt wird, dass die Gamerszene aus 12 jährigen besteht, die über nicht sonderlich ausgeprägte rhetorische Fähigkeiten verfügen – „Da kann man Autos klauen und so“ (‚Alta isch schwör‘), zeigt uns die Studie eine Gruppe der Freizeitspieler, die 54 % der Befragten ausmacht, ein Durchschnittsalter von 44 Jahren hat und über ein mittleres bis gehobenes Einkommen verfügt.

Bevor jetzt aber weiter in die Tiefe gegangen wird, sollt ihr natürlich erst einmal erfahren, wie die Studie zustande gekommen ist und wie man sie im Vergleich zur professionellen Recherche der aspekte-Redakteure steht.
spielplatzSpielplatz Deutschland ist eine empirische Mehrmethoden-Studie bei der im ersten Schritt computerspielende Personen gesucht wurden, die dann in einem zweiten Verfahren hinsichtlich ihres Einkommens, Alters und Bildunggrades befragt wurden, um im dritten Schritt eine Befragungsgruppe zu bilden, die der demografischen Realität in Deutschland möglichst nahe kommt. Dabei wurden nur Personen über 14 Jahre befragt, da die Studie eigentlich eine werberelevante Gruppe erfassen soll. Die Intention ist in Anbetracht der beteiligten Firmen offensichtlich die Überlegung, wie man die große Menge der spielenden Bevölkerung, die in der Spielzeit ja weder die Werbeformen in Fernsehen und Zeitungen wahrnimmt zu erreichen, jedoch wird daraus auch kein Hehl gemacht, sondern am Ende der Studie ausführlich darüber berichtet.
Unterstützt wird die Durchführung der Studie von einer der größten deutschen Werbeagenturen Jung von Matt, die unter anderem Kunden wie TUI, BMW und die Deutsche Post betreuen. Des Weiteren von dem Spielegiganten EA, der bekannt ist Computer- und Videospielunterhaltung für die ganze Familie zu bieten und durch die Unterstützung solcher Studien und Initiativen wie das Spielraum-Projekt versucht das Image seiner Zielgruppe zu verbessern. Der dritte Partner der Studie ist die Redaktion von GEE, einem Magazin das sich mit Lifestyle-Themen beschäftigt und Computerspiele als festen Bestandteil des Lebens aller Altersgruppen sieht.

Nun aber genaueres zur Studie. Die Befragten werden aufgrund der Ergebnisse in 5 Klassen eingeteilt, die verschiedene Intentionen und Motivationen zum Spielen haben und auch verschiedene sozio-anthropologische Besonderheiten aufweisen.
Diese sollen euch hier auch gleich vorgestellt werden, nachdem noch darauf hingewiesen sei, dass die Studienauswertung wirklich interessant zu lesen ist, da sie ansprechend bebildert und aufbereitet ist und auch Fallbeispiele von Befragten bietet.
Gleich zu Beginn der Studie kommen einige Zahlen ins Spiel, so wird beispielsweise in Deutschland jährlich bereits 1 Milliarde Euro Umsatz mit Video- und Computerspielen gemacht und in jedem dritten Haushalt findet man eine Spielkonsole, sowie in jeden zweiten Haushalt ein PC vorhanden ist.

Der Freizeitspieler (54 % der Befragten)
Der in der Studie als Freizeitspieler bezeichnete Spielertyp beschäftigt sich mit vielen verschiedenen Dingen in seiner Freizeit und ist im Durchschnitt 44 Jahre alt. Er ist beruflich wie familiär gefestigt und die Anteile der männlichen und weiblichen Spieler sind in etwa gleich groß. Er verfügt über ein mittleres bis überdurchschnittliches Einkommen und bevorzugt Fun-, Sport- und Geschicklichkeitsspiele. In dieser Gruppe findet man kaum Spieler, die sich zu action- oder fantasylastigen Spielen hingezogen fühlen, da ihnen einfach die Zeit fehlt sich mit diesen komplexen Szenarien auseinander zu setzen. Ihm ist die einfache Bedienung der Spiele sowie eine eher geringe geistige Anstrengung in Spielen wichtig, da er im Spielen einen entspanneden Ausgleich zu seinem Alltag sucht. Fast die Hälfte der Freizeitspieler wohnen in Dreipersonen-Haushalten und nur 17 % leben allein.

arbeitDer Gewohnheitsspieler (24 % der Befragten)
Auch beim Gewohnheitsspieler steht das Spielen mit elektronischen Geräten gleichberechtigt neben anderen Freizeitbeschäftigungen. Neben den schon beim Freizeitspieler erwähnten Fun- und Sportspielen, daddelt er jedoch auch gern mal mit Freunden die Old-School-Spiele mit denen er aufgewachsen ist und das auch ab und zu mal eine ganze Nacht durch. Dann werden die Klassiker der Action- und Strategiespiele aus dem Schrank geholt und man hat Spaß wie in alten Zeiten.
Doch der Gewohnheitsspieler, der über das höchste Einkommen im Vergleich der Gruppen verfügt und technisch außerordentlich gut ausgerüstet ist, gehört auch zu der Gruppe der jungen Erwachsenen, die sich immer häufiger mit Freunden verabreden um gemeinsam Spiele wie ‚SingStar‘ oder verschiedene Wissensquiz‘ zu spielen. Seine Hauptmotivation beim Spielen ist die Entspannung und der Hang zur Geselligkeit. Die Gruppe, deren Befragte auch in Berufsgruppen wie Volkswirten und Bankkauffrauen zu finden sind, lebt zum großen Teil in Dreipersonen-Haushalten und nur 13 % allein.

Der Intesivspieler
(5 % der Befragten)
Hier ist sie nun die immer wieder angeprangerte Riesengruppe von 5 % die dem allgemeinen Zockerklischee entsprechen sollen. Dies aber auch nur aus dem Grund, da sie mehr Zeit mit Spielen verbringen als alle anderen Spielergruppen. Es handelt sich laut der Studie jedoch nicht um den vielleicht an dieser Stelle erwarteten „sozial isolierten Nerd“, sondern um Spieler Anfang 20, die ihr Reallife mit Schule, Studium oder Ausbildung verbringen und einen großen Teil ihrer Freizeit mit Zocken verbringen. Jedoch ist auch bei ihnen keine Vereinsamung zu beobachten, denn sie legen ein ganz normales Freizeitverhalten an den Tag, treffen sich mit Freunden, gehen ins Kino und treiben Sport. Diese Gruppe der Intensivspieler besteht zu 80 % aus Männern, von denen jedoch nur 3 % in Single-Haushalten wohnen, über ein mittleres Einkommen verfügen und bevorzugt actionlastige Spiele mit andern Zockern online oder im LAN spielen.

Der Fantasyspieler (6 % der Befragten)
Mit einem eher mittleren bis unterdurchschnittlichen Einkommen stehen die Fantasyspieler als vorletzte Gruppe der Befragten für die Gruppe der Rollenspieler. Sie tauchen trotz starkem Familienbezug gern einmal in die fantastischen Welten der Rollenspiele ein, um dort eigene Charaktere zu kreieren und mit anderen gemeinsam in diesen Welten zu agieren. Der Fantasyspieler sucht in der virtuellen Welt die Bestätigung und die Erfolgserlebnisse, die ihm durch sozio-kulturelle Zwänge im realen Leben verwehrt bleiben. Im Vergleich zu den anderen genannten Gruppen ist hier die Zahl derer die in Single-Haushalten leben mit 21 % relativ hoch.

Der Denkspieler (11 % der Befragten)
Die Demographie unter den Denkspielern stellt sich ähnlich dar wie bei den Freizeitspielern, jedoch ist die Motivation eine völlig andere. Der Denkspieler sucht die Herausforderung und nicht die Zerstreuung. Denn es bereitet ihm nicht mehr Freude als ein kniffliges Rätsel zu lösen oder mit einem gewitzten strategischen Schachzug einen Gegner zu besiegen. Das Durchschnittsalter liegt in dieser Gruppe bei 38 Jahren und auch hier gibt es eine relativ hohe Single-Haushalt-Quote.

Im Rahmen der Studie wurde jedoch auch mit einigen anderen Vorurteilen aufgeräumt, so wurden beispielsweise die Wohnungen und Kühlschränke der Befragten unter die Lupe genommen um dem beliebten Klischee des in einer versifften WG wohnenden, Chips und Pizza in sich hineinstopfenden, Cola trinkenden Zocker-Nerd auf den Grund zu gehen. Wie ihr euch sicherlich an dieser Stelle vorstellen könnt, konnten diese Klischees nicht verifiziert werden, denn es handelt sich bei allen Gamer-Gruppen um Menschen die mit beiden Beinen im Leben stehen und ihre Kühlschränke und Wohnungen sehen auch dementsprechend aus und vermitteln den Eindruck der Behaglichkeit und vorwiegend gesunder Ernährung.

Nun jedoch noch kurz zu den durch die Studie ermittelten Spielmotivationen, die folgendermaßen zusammengefasst werden können:

  • Zeitvertreib – Spielen zur Zeitüberbrückung zwischen alltäglichen Aufgaben und Ereignissen
  • Geselligkeit – Spielen mit Freunden in geselliger Runde, in der „Eye Toy“, „Mario Party“ & Co. die guten alten Brettspiele langsam aber sicher ablösen.
  • Ausgleich – Spielen um sich zu entspannen und den Stress des Alltags abzuschütteln
  • Neue Rollen – Spielen um sich grenzenlos ausprobieren zu können; „In der Realität ist man doch schon oft genug.“
  • Herausforderung – Spielen um Bestätigung zu erfahren und auf das Geleistete stolz sein zu können.

0,1886,2805704,00 Nun stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob sich die Redakteure der öffentlich-rechtlichen Fernseh-Anstalten jemals auch nur ansatzweise die Mühe gemacht haben, solche Studien bei ihrer Recherche zu Beiträgen, wie dem der Sendung aspekte, heran zu ziehen. Die offensichtliche Wahrnehmung bestätigt das in keiner Weise, denn es wird mit plakativen Slogans wie „Knochen splittern und Organe explodieren“ sowie mit Spielausschnitten agiert, die offensichtlich dahin gehend manipuliert sind, dass man in GTA San Andreas eine Menge Blut sieht, das so in der deutschen, von der USK ab 16 Jahren freigegebenen Version nicht existent ist. Auch der Bezug auf das Spiel Backyard Wrestling, dass eine sehr kleine Zielgruppe anspricht, ist eher als lächerlich zu betrachten, denn wer schon einmal ein WWE-Match zwischen Wrestling-Legenden wie Mick Foley und Ric Flair gesehen hat, weiß dass selbst in dieser größten Wrestlingliga der Welt solche Matchelemente zur Normalität gehörten und als Unterhaltung für die ganze Familie angesehen werden.

 

Doch was ist die Intention der werten Innenminister, die sich immer wieder dahingehend äußern, dass mehr Kontrolle von staatlicher Seite inklusive verstärkter Zensur von Nöten ist? Sie argumentieren mit Artikel 1 des Grundgesetzes, der Wahrung der Menschenwürde und dem Verfall der Werte – macht sich aber einer von ihnen Gedanken, welche Werte von den Politikern, die tagtäglich mit mehr oder weniger großen Skandalen in Bezug auf rechtes Gedankengut, Kinderpornografie und Korruption in den Medien stehen, vermittelt werden? Wenn man dazu dann noch einmal einen Blick auf die Spielmotivationen wirft, die deutlich zeigen, dass der Spieler in keiner Weise seine persönlichen Werte aus den Spielen die er spielt formuliert, ist es mehr als fraglich ob dieser verfolgte Ansatz der richtige ist.

Ein interessanter Aspekt ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die Frage, warum gerade die Innenminister sich dafür so stark machen, man sollte meinen, dass weitaus wichtigere Themen von ihnen angepackt werden sollten, und dass sie die Verantwortung für solche Fragen denen zugestehen, in deren Kompetenzbereich die Fragen des Jugendschutzes liegen, nämlich beim Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.

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