Filmkritik: Die Welle

Man könnte den Roman schon fast eine Klassiker nennen, denn auch wenn er erst 27 Jahre alt ist, ist er jedoch gerade bei Lehrern und Schülern gleichermaßen beliebt, da es kaum eine interessantere Lektüre im Schulalltag gibt, die noch dazu so stark zum Nachdenken anregt, wie Die Welle von Morton Rhue. Nun wurde das Buch ein zweites Mal verfilmt und die Handlung wurde kurzerhand an ein deutsches Gymnasium verlegt. Es handelt sich um eine deutsche Produktion mit Dennis Gansel als Regisseur und Jürgen Vogel in der Rolle des Lehrers Rainer Wenger.

Doch erst einmal zur Geschichte der Welle. Bereits im Jahr 1967 führte der Geschichtslehrer Ron Jones in einer kalifornischen High School ein Experiment durch, das klarstellen sollte, wie leicht die Menschen im Deutschland der dreißiger Jahre durch die Manipulation der Nazis verändert wurden und diese Veränderungen als positiv einschätzten oder sie selbst gar nicht bemerkten. Seine Schüler waren nämlich der Meinung, dass so etwas nicht mehr vorkommen könne und das es völlig unverständlich sei, wie die Deutschen so handeln konnten. Also begann er ganz subtil die Schüler zu manipulieren und stellte Verhaltensnormen aus, die auf Disziplin setzten und streng durchgesetzt wurden. Die Schüler sprangen darauf an und bereits nach wenigen Tagen geriet das Experiment außer Kontrolle und die Wirkung verselbstständigte sich. Daraufhin brach er es im Rahmen einer Schulversammlung ab und konfrontierte die Schüler direkt mit Vergleichen zu den Jugendorganisationen der Nazis.

1981 wurde für das US-Fernsehen der Film Die Welle gedreht und noch im gleichen Jahr griff Morton Rhue das Thema des Drehbuchs auf und verfasste den gleichnamigen Roman. In der vorigen Woche startete in den deutschen Kinos eine Neuauflage des Film unter der Regie von Dennis Gansel. Er verlegte die Handlung nach Deutschland in ein Gymnasium in einer Großstadt, wie es hunderte im Land gibt. Der unkonventionelle Lehrer Rainer Wenger (Jürgen Vogel) ist aufgrund seiner lockeren Art bei den Schülern sehr beliebt. Sie dürfen ihn duzen, er wohnt auf einem Hausboot und kommt mit Ramones T-Shirts zur Schule, eben einer von der coolen Sorte, der im krassen Gegensatz zu den verstaubten Paukern steht, die es in vielen Schulen zur Genüge gibt. Im Rahmen einer Projektwoche soll er das Thema „Autokratie“ behandeln, worauf er selbst wenig Lust hat. Er entschließt sich doch dann relativ spontan mit den Schülern ein Experiment als Projekt durchzuführen und stellt seinen Unterrichtsstil um. Die Sitzordnung wird von den chilligen Gruppentischen in ordentliche Reihen geändert, alle müssen gerade am Tisch sitzen, ihn siezen und ihre Antworten kurz und knapp geben, nachdem sie sich von ihrem Platz erhoben haben. Die Schüler springen erschreckend schnell darauf an, hat er doch auch für jeden Einwand ein passendes Argument parat, das durchaus überzeugend ist. Schnell beginnt das Experiment eine Eigendynamik zu entwickeln, die der Lehrer fördert und unterstützt. Dabei versucht er den Schülern immer wieder den Wert des Zusammenhalts, ungeachtet der sonst so störenden Unterschiede, zu verdeutlichen – frei nach dem Credo „Gemeinsam sind wir stark“. Und es funktioniert, was in vielen kleinen Episoden deutlich wird.

Sehr schnell wird aber auch deutlich, dass diejenigen, die der Bewegung skeptisch gegenüber stehen, nichts zu lachen haben und ausgegrenzt werden. Einige verlassen den Kurs freiwillig, andere werden von Wenger rausgeschmissen, weil sie sich nicht an die Regeln der Gemeinschaft halten wollen. Schnell verlagert sich das Experiment auch in die Freizeit der Schüler, denn da wird dann eine eigene Homepage gebastelt, die Stadt mit Welle-Logos übersät, die Skater-Halfpipe übernommen und zu Welle-Eigentum erklärt. Die Reaktion der Eltern und Lehrerkollegen auf das Verhalten des Herrn Wenger uns seines Kurses sind sehr unterschiedlich, jedoch warnt ihn unter anderem seine eigene Frau, dass ihm das Experiment zu entgleiten scheint. Was er in diesem Moment noch vehement abstreitet, entpuppt sich wenig später als Realität, denn die Bewegung nimmt immer stärker faschistoide Züge an und es führt kein Weg mehr an einer Beendigung des Ganzen vorbei. Im Rahmen einer Versammlung, zu der nur Welle-Mitglieder zugelassen sind, kommt es dann zu dramatischen Ereignissen.

Was macht einen solchen Film, dessen Story und Ausgang schon hinlänglich bekannt sind, nun tatsächlich sehenswert? Er ist ohne Frage pädagogisch wertvoll, aber auf eine unaufdringliche unterhaltsame Art, denn es gibt keinen erhobenen Zeigefinger, keine Emotionshascherei wenn es um das Thema Drittes Reich geht und auch keine langatmigen Monologe über die Gefahren des Faschismus. Der Zuschauer wird einfach mitgenommen, beobachtet die Vorgänge und zieht am Ende seine eigenen Schlüsse.

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