Nachdem wir uns im Weltkundeunterricht nun ausführlich mit Geschlechterrollen, Vorbildern und Vorurteilen beschäftigt hatten, steht nun das Thema „Die Welt verändert sich“ auf dem Plan. Es geht dabei um den Absolutismus, die Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts inklusive der industriellen Revolution, Menschenrechte und die soziale Frage im 19. Jahrhundert. Bisher hatte ich diese Themen schon mehrfach im reinen Geschichtsunterricht behandelt, aber eben noch nicht in Weltkunde. Deshalb schrieb ich zehn in Frage kommende Themen auf Zettel und ordnete sie mit der Klasse am Zeitstrahl ein. Daraufhin ließ ich die Klasse entscheiden, ob wir uns mit allen Themen gleichgewichtig beschäftigen wollen oder ob es von ihrer Seite ein besonderes Interesse an bestimmten Themen gäbe. Eine Schülerin bemerkte, dass nach den Vorurteilen ja sehr gut das Thema Menschenrechte passen würde, da beides eng miteinander zusammenhängt. Außerdem wurden die Themen „Unabhängigkeit Amerikas“, „Französische Revolution“ und „Napoleon“ besonders viel Zuspruch. Um ehrlich zu sein, habe ich im Vorfeld bemerkt, dass ich selbst das Thema „1848 – Revolution in Deutschland“ nicht besonders spannend finde. 😉
Also zuerst Menschenrechte. In der nächsten Stunde bat ich die SchülerInnen sich in Partnerarbeit zehn Menschenrechte zu überlegen, die ihrer Meinung nach die wichtigsten wären. Danach sollten sie in Vierergruppen zusammengehen und ihre Ergebnisse vergleichen und eine gemeinsame Zehnerliste aushandeln. Die Gruppen benannten dann reihum ihre wichtigsten Menschenrechte und wir ordneten sie an der Tafel. Bevor die SchülerInnen an die Arbeit gingen, definierten wir noch das Wort Menschenrecht. Ein Menschenrecht muss allumfassend für alle gültig sein, muss fair sein und darf andere nicht in ihren Rechten einschränken. Das Ergebnis der Plenumsdiskussion waren folgende Rechte (ohne Ranking):
- ausreichend Wohnraum
- sexuelle Selbstbestimmung (freie Partnerwahl)
- Religionsfreiheit
- Gleichberechtigung unabhängig von sexueller Orientierung, Hautfarbe, Religion, Herkunft, Behinderung, Geschlecht)
- gesunde, ausreichende Nahrung & Trinken
- Privatsphäre
- Bildung
- Meinungsfreiheit
- Freiheit (nicht eingesperrt zu werden)
- Mitbestimmung
- Kind zu sein
- Arbeit von der man seine Familie ernähren kann
- Gewaltfreiheit
Bei der näheren Betrachtung, inwieweit wir diese Rechte in der Realität haben und sie nicht nur auf dem Papier formuliert sind, wurde schnell deutlich, dass das häufig leider nicht der Fall ist, obwohl Deutschland für sich beansprucht, ein Land zu sein, in dem Menschenrechte eine wichtig Rolle spielen. Einige Schülerinnen hatten bei der Praktikumssuche die Erfahrung gemacht, dass der gleiche Arbeitgeber bei der Nennung einen eindeutig deutschen Familiennamens einen Platz für ein zweiwöchiges Schülerpraktikum hatte, aber bei der Nennung eines ausländischen Namens plötzlich keine derartigen Kapazitäten zur Verfügung stellen konnte.
Ein weiterer Punkt war die Arbeit, deren Einkommen für die Familie zum Leben reicht. SchülerInnen berichteten, dass ihre Eltern in ihren Heimatländern einen hohen Abschluss hatten, der aber hier nicht anerkannt wird und sie deshalb entweder Hartz IV oder geringfügig bezahlte Jobs annehmen müssten, mit denen man die Familie nicht ernähren können.
Andere SchülerInnen berichteten von sehr beengten Wohnverhältnissen, weil sich die Familie aufgrund ihres Einkommens einfach keine größere Wohnung leisten könne und sich deshalb bis zu drei jugendliche Kinder ein Zimmer teilen müssten.
Interessant war auch die Diskussion über die Meinungsfreiheit und wie weit die reichen kann. Vor allem bei diesem Recht wurde deutlich, dass die eigene Meinungsfreiheit schnell die Rechte anderer verletzen kann, so zum Beispiel die Gewaltfreiheit, denn die eigene Meinung kann schnell andere verbal verletzen, wenn sie direkt vorgetragen wird.
In Bezug auf das Freiheitsrecht kam es zu einer interessanten Diskussion über Stubenarrest und ob dieser nicht das Recht auf Freiheit in unzumutbarer Weise einschränkt. Die SchülerInnen waren da sehr unterschiedlicher Ansicht und hielten vielfach Stubenarrest als Erziehungsmaßnahme für eine erträgliche Strafe.
Bei der Sammlung der vermeintlichen Rechte waren auch einige amüsante Meinungen dabei, so erbat sich eine Gruppe das „Recht auf Dummheit“, welches aber bei genauerem Hinschauen als Belastung für die Rechte anderer erwies. Eine andere Schülerin forderte für sich das „Recht auf Fantasie“, was wir ihr auch gern zugestanden. 😉
Alles in allem war es eine sehr anregende Doppelstunde, in der ich wieder sehr viel über die Gedanken, Wünsche und Lebensrealitäten meiner Schüler erfuhr, das ich in den nächsten Stunden auf jeden Fall wieder aufgreifen werde.
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