Eine Frage, die tiefer geht – Vertrauen oder Nicht-Vertrauen?

Schleswig-Holstein wird aktuell von einem Mann regiert, dem die Mehrheit des Landtags nicht vertraut. Welche Auswirkungen wird das auf die Landtagswahlen haben und wie sehr vertrauen die Bürger den anderen Parteien?

Was bisher geschah

In der letzten Woche gab der Trubel um die 2,­9-Millionen-Zahlung an den HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher den letzten Auslöser für das Zerbrechen der Skelligeer Koalition. Der von Peter Harry Carstensen gestellte Antrag auf Auflösung des Parlaments hatte durch das Ausbleiben der Zustimmung der SPD keinen Erfolg, sodass er direkt im Anschluss die Vertrauensfrage stellte, über die am gestrigen Donnerstag abgestimmt wurde. Den Auflösungsantrag stellte Peter Harry Carstensen zwar schon für Freitag, den 17. Juli, dieser war jedoch offensichtlich so schlecht formuliert worden, dass es eine Neuauflage für den Montag danach geben musste.

Die Zwischenzeit, in der die Abgeordneten in sich gehen sollten, um zu entscheiden, ob Peter Harry Carstensen ihr Vertrauen verdient oder nicht, nutzte der Ministerpräsident dazu, die SPD-Minister Uwe Döring (Justiz), Ute Erdsiek-Rave (Bildung), Lothar Hay (Innen) und Gitta Trauernicht (Soziales) zu feuern. Das sorgte erneut für viel Unmut, denn wie die Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave in zahlreichen Interviews anmerkte, hat er dies nicht persönlich getan, sondern ihnen über andere Weg mitteilen lassen. „Feige“, „stillos“ und „unprofessionell“ nannten sie es und auch in den Reden, die der Abstimmung über die Vertrauensfrage vorausgingen, war dies immer wieder ein Thema. Die Diskussionen im Vorfeld ließen schon ahnen, dass es am Tag der Abstimmung alles andere als langweilig im Skelligeer Landtag zugehen wird, denn auch wenn die Abstimmung nun noch eine Formsache ist – die Vertrauensfrage will Peter Harry Carstensen ja absichtlich verlieren –, bieten die Redebeiträge für alle Beteiligten noch einmal die Chance, dem Gegner einerseits seine Fehler vor Augen zu führen und sich selbst und die eigene Fraktion besser dastehen zu lassen.

Doch eins nach dem anderen. Nachdem die Sitzung eröffnet wurde, kam der Ministerpräsident als erster zu Wort. Immer wieder seinen  persönlichen Mantra wiederholend, „Zuerst das Land, dann die Koaltion.“, bemühte er sich nach Kräften seine eigene Arbeit und die der CDU zu rechtfertigen und alle Verantwortung am Scheitern der Koalition der SPD zuzuschieben. Einige seiner Ausführungen in Bezug auf die bewilligten Zahlungen an HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher sorgten für Unmutsäußerungen bei den anwesenden Parlamentariern. Alles in allem wurde ihm seine Rede gerecht, denn sie hatte wenig Tiefgang, beinhaltete viele Wiederholungen und beschäftigte sich im großen und ganzen mit den Fehlern der anderen, immer wieder darauf hinweisend, dass der Ministerpräsident und seine Fraktion immer nur das Wohl des Landes im Fokus haben.

Der nächste Redner war Ralf Stegner, der nicht zögerte in seiner direkten Art diejenigen zu bedenken, die seiner Meinung nach in ihren Aussagen falsch liegen. Zuerst erteilte er Johann Wadephul eine Lektion in Sachen Literaturinterpretationen, denn dieser hatte Stegner in einer vorherigen Debatte einen Brandstifter genannt und sich dabei auf Max Frischs Buch „Biedermann und die Brandstifter“ bezogen. Nun war es an Stegner, den amtierenden Ministerpräsidenten in der Rolle des Biedermanns zu bestätigen und entsprechende Vergleiche zu ziehen, die für Carstensen weniger schmeichelhaft waren. Später zitierte er noch Goethe, sodass man sich stellenweise wie in einer Literaturvorlesung vorkam und nicht wie in einer Landtagsdebatte. Doch andererseits demonstrierte Stegner wieder einmal seine Bildung und seine Eloquenz, denn jeder Satz von ihm saß passgenau und traf die Angesprochenen offensichtlich genau dort, wo sie getroffen werden sollten.

Die Ministerentlassungen stempelte er als „schäbig und unwürdig“ ab und Carstensens Mantra hebelte er gekonnt aus, indem er deutlich machte, dass für den Ministerpräsidenten zuerst seine Partei, dann die schwarz-gelbe Traumpartnerschaft und dann irgendwann das Land komme. Bezüglich der Vertrauensfrage fand er klare Worte: „Das Vertrauen haben sie nicht nur in diesem Hause verloren!“

Nach ihm sprach der CDU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul und revanchierte sich gleich zu Anfang bei Stegner für dessen Anfeindungen, indem er Stegner auf eine einfache Formel reduzierte: „Ich weiß alles, ich habe die Wahrheit gepachtet, Ralf Stegner wird Ministerpräsident und die Erde ist eine Scheibe.“ Er warf Stegner darüber hinaus mangelnde Selbstreflektionsfähigkeit vor und fand einen fragwürdigen Vergleich im Hinblick auf die Gespräche der CDU bei einem Besuch im Vatikan: „Sie wären mit ihrer Selbstgerechtigkeit besser aufgehoben bei der Pius Bruderschaft“, giftete er gegenüber Stegner, der dafür nur ein müdes Lächeln übrig hatte. Er vertiefte sich vielmehr in die Lektüre eines offensichtlich sehr spannenden Zettels, den er während des Redebeitrags Wadephuls kaum aus den Augen ließ und damit sein ganz offensichtliches Desinteresse an dessen Ausführungen erkennen ließ.

Nach den anfänglichen Sticheleinen sprach Wadephul sich für umfassende Untersuchungen über die Ursachen des Niedergangs der HSH-Nordbank aus und versprach „das Handeln aller Akteure in der Bank, auch der Aufsichtsgremien, ohne Ansehen der Person“ voranzutreiben. In diesem Zusammenhang fand er außerdem klare Worte für die „in skandalöser Weise geltend gemachte Sonderzahlungen durch Herrn Nonnemacher“, die ja schon von einigen Akteuren in der augenblicklich aufgeführten Tragikomödie angeprangert wurden.

Während man sich als Zuschauer nun schon fragte, wie der nächste Akt des Stücks verlaufen würde, trat der FDP-Fraktionsvorsitzende Kubicki auf die Bühne und begann seine Rede gleich mit einem Seitenhieb auf Ralf Stegner, in dem er sich darüber lustig machte, dass dieser scheinbar viel Wert darauf lege, nun Oppositionsführer im Landtag zu sein und dass er selbst ihm gern diesen Platz freimache. Er munkelte darüber hinaus, dass Stegner diese Rolle wohl recht lange besetzen würde, es sei denn, die Grünen würden künftig zu stark werden.

Für diese Spitzen erntete Kubicki nur wenige Lacher, deshalb ging er wohl gleich auf sein nächstes Ziel los. Die Ministerkündigungen wären hochgespielt worden und Ute Erdsiek-Rave solle sich doch nicht in ihrer Würde angegriffen fühlen, denn man würde sie vor allem nach ihren Taten beurteilen. Darauf folgte ein harter Angriff auf deren Bildungspolitik in den letzten Jahren, die von der FDP als Verfechterin des dreigliedrigen Schulsystems schon immer mit Argusaugen betrachtet wurde. An dieser Stelle kann man sich fragen, was aus der angefangenen Schulreform in Schleswig-Holstein werden wird, wenn die Konstellation schwarz-gelb zustande kommt, aber das würde hier den Rahmen sprengen.

Auch für das schlechte Management in der HSH-Nordbank-Krise fand er klare Worte und übte damit durchaus auch Kritik an den Kompetenzen der nunmehr allein amtierenden CDU. Gelegentlich wirkte er wie eine Braut, die sich noch ein bisschen zieren möchte, während er die schwarz-gelben Koalitionsträume herunterspielte und sich teilweise stammelnd bemühte, sich und seine Partei als noch nicht festgelegt zu präsentieren. Das gelang ihm jedoch nur bedingt, denn mit zunehmender Redezeit wurden seine Sätze unvollständiger und seine Aussagen undurchsichtiger. Vielleicht lag es ja auch am weiterhin demonstrierten Desinteresse Ralf Stegners, der weiterhin in seine Lektüre vertieft war und gelegentlich mit seinen Fraktionsmitgliedern schwatzte.

Auch Kubickis Ausflug in das Familienrecht schien nicht weiter interessant zu sein, obwohl er doch so bemüht war, den Unterschied zwischen dem Schuldprinzip im Vergleich zum Zerrüttungsprinzip darzulegen und damit die SPD wieder einmal als Spielverderber hinzustellen, die das wohl nicht verstanden hatte. In Bezug auf die Motivation der verweigerten Abstimmung zur Auflösung des Parlaments stellte er dann folgende rhetorische Frage: „Wollen sie den Ministerpräsidenten vorführen als jemanden, der handlungsschwach ist?“. Wie er nur auf diese Idee kommt?

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Karl-Martin Hentschel fand in seinem darauf folgenden Redebeitrag sehr deutliche Worte für das Timing der Koalitionsauflösung und warf der CDU und im speziellen Peter Harry Carstensen Machtkalkül vor. Seiner Meinung nach habe dieser den Bruch punktgenau geplant, damit er sich mit dem Wahltermin zeitgleich mit der Bundestagswahl Vorteile für sich und seine Partei verschaffen könne. Im Herbst stünden nämlich noch ausführliche Diskussionen zum Thema HSH-Nordbank und den Atomkraftwerken an, in denen die CDU nach Ansicht Hentschels nicht so gut dastehen würde, was sich auf einen späteren Wahltermin niedergeschlagen hätte. So versucht man sein Schäfchen ins Trockene zu bringen und die eigene Macht zu retten.

Zur Vertrauensfrage hatte er einen deutlichen Standpunkt und stempelte das Bemühen der CDU mit klaren Worten ab: „Ihr Vorgehen ist nicht nur politisch anrüchig, sondern auch verfassungsrechtlich riskant.“ Der weitere Verlauf seiner Rede war vor allem ein Appell an die Parteien, im Wahlkampf den Bürgern reinen Wein einzuschenken, denn „viel wichtiger ist es um das Vertrauen der Menschen auf der Straße zu werben“. Der Traumkoalition Carstensens stellte er schon vorab ein vernichtendes Zeugnis aus, sie stehe dafür „vom Leerlauf umzuschalten in den Rückwärtsgang“.

Zu guter Letzt hatte auch die Abgeordnete Anke Spoorendonk vom SSW das Wort und rechnete mit den beiden Koalitionspartnern ab, indem sie den Ministerpräsidenten als einen machtgierigen und politisch inkompetenten Politiker kennzeichnen, der nach Ansicht der SSW-Vertreterin das Vertrauen der Bürger nicht verdient hat und dessen „Bilanz seiner Regierung auf einen Bierdeckel passt“. Doch auch Ralf Stegner bekommt in ihrem Redebeitrag sein Fett weg.

All dem Gerede folgte dann die namentliche Abstimmung zur Vertrauensfrage, bei der von 66 anwesenden Abgeordneten 37 mit Nein stimmten, einer mit Ja und sich 28 der Stimme enthielten. Über den repräsentativen Charakter dieser Abstimmung braucht man an dieser Stelle nicht zu diskutieren, da sie ohnehin eine Farce war, um die von der CDU so begehrten Neuwahlen zum richtigen Termin auf den Weg zu bringen.

Was kommt nun?

Klar, der nächste Schritt ist der Wahlkampf, wobei wir uns eigentlich ja schon mittendrin befinden. Die große Frage ist, werden die Bürger tatsächlich wahrnehmen können, wie die Positionen der Parteien in Bezug auf die Probleme des Landes Schleswig-Holstein sind? Genug davon haben wir ja, wenn man die HSH-Nordbank-Krise betrachtet, die längst noch nicht ausgestanden ist und vielleicht ja sehr bald noch viel größere Dimensonen annimmt.

Ist Schlewig-Holstein bereits pleite und kann gar kein Geld in die entsprechenden Projekte, die vermutlich im Wahlkampf angepriesen werden, investieren? Wie will die künftige Regierung das wieder geradebiegen, was die vorherige in den Sand gesetzt hat? Ebenso interessant ist die Frage, ob die CDU und SPD tatsächlich bis zum Wahltermin an ihren derzeitigen Spitzenkandidaten festhalten werden, denn beide sind in großem Maße vorbelastet und nicht jeder Bürger wählt nach den Inhalten, sondern auch nach Sympathie. Über ihre Rollen als Sympathieträger braucht man an dieser Stelle wohl kaum viele Worte verlieren, denn das sind sie beide nicht. Wie stark können das wiederum die FDP und die Grünen für sich nutzen? Eine interessante Frage ist auch, welche Rolle die Linken bei der Wahl spielen werden, bisher schaffen sie laut Umfragewerte mit fünf Prozent gerade den Einzug in den Landtag, aber daran kann sich bis zum Wahltermin auch noch etwas ändern. Im Prinzip muss man feststellen, dass bisher alles offen ist und und auch wenn schwarz-gelb sich bereits in Regierungsträumen ergeht, sind die Würfel noch nicht gefallen.

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