Spielraum, Trittbrettfahrer und Nein-Sager

Es werden aktuelle Meldungen bezüglich der ‚Killerspieler-Amokläufer‘-Problematik aufgegriffen und es soll versucht werden die verschiedenen Meinungen zu diesem Thema aufzugreifen und näher zu beleuchten. Außerdem werde ich Projekte vorstellen, die sich mit diesem Thema im weitesten Sinne beschäftigen.

Eine interessante Meldung in dieser Woche kam aus Richtung EA, die ja bekanntlich sehr interessiert daran sind, das Image der Computer- und Videospiele zu verbessern und die Öffentlichkeit über neue Entwicklungen und Studien zu informieren. In dem von EA regelmäßig, zu Themen die auch die Gesellschaft im Allgemeinen betreffen, herausgegebenen „EA Das Magazin“ Ausgabe 04/2006, ist ein interessanter Artikel zum Thema USK und Selbstregulierung zu lesen. Unter anderem wurde ein Interview mit der EU-Kommissarin Viviane Reding durchgeführt, in dem sie ihre Meinung zu den europäischen Systemen zum Jugendschutz und den wichtigen Ansätzen die in diesem Bereich noch verstärkt werden müssen den Standpunkt der EU-Kommission darlegt.

Eine weitere interessante Entwicklung ist der Start des „Spielraum“-Projektes über das wir schon im Rahmen der Games Convention berichteten. Am 4. Dezember kam die Pressemitteilung, dass das Institut zur Förderung von Medienkompetenz der Fachhochschule Köln „Spielraum“ seine Arbeit aufnimmt. Leiter des Instituts Spielraum sind Professor Dr. Winfred Kaminski, Direktor des Instituts für Medienpädagogik und Medienforschung an der Fachhochschule Köln, Professor Dr. Jürgen Fritz, Leiter des Forschungsschwerpunkts „Wirkung virtuelle Welten“ an der Fachhochschule Köln sowie die Diplom-Sozialpädagogin Tanja Witting. Dieses Projekt wird von Nintendo und EA unterstützt.
Das erklärte Ziel dieser Institution ist es, Eltern, Lehrer und Pädagogen im Umgang mit Computer- und Videospielen zu schulen, damit sie über die entsprechenden Kompetenzen verfügen, ihren Kindern und Schutzbefohlenen im Allgemeinen diese Kompetenzen zu vermitteln, denn das ist ja wie ihr sicher auch alle schon bemerkt habt gerade in den kontinuierlich alternden Lehrerkollegien ein immenses Problem. Oft wird von Halbinformationen vermischt mit eigenen Deutungsansätzen ausgegangen a la ‚die können ja gar nichts mehr lernen, wenn der Kopf voll mit diesem Computerspielkram ist‘. Um diesem Missstand zu begegnen, werden vom Institut Unterrichtseinheiten und Lehrmaterialien entwickelt und bereitgestellt, die eine sinnvolle und konstruktive Auseinandersetzung mit diesem brisanten Thema ermöglichen, denn die genannten Spiele und das Internet als solches sind schon längst zu einem festen Bestandteil im Leben der meisten Kinder und Jugendlichen geworden, daher ist es absolut überfällig auch diejenigen zu schulen, die einen erzieherischen Auftrag haben.

Ein ganz anderes Projekt startete Boris Jebsen mit seiner Seite ‚Ich sage nein …‘, er beruft sich dort auf das deutsche Grundgesetzt, dass ja besagt:

Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstösst.

Artikel 5 (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Darauf aufbauend, wirft er auf seiner Internetpräsenz Fragen bezüglich der Verbote gewisser Spiele und der Diskriminierung der Spieler auf und gibt zu bedenken, dass ein solches Verhalten von Seiten der staatlichen Stellen ein massiver Eingriff ins deutsche Rechtssystem ist.
Außerdem beschäftigt er sich mit dem häufig verletzten Datenschutz, mit dem sich ein jeder Bundesbürger dauernd konfrontiert sieht, ohne es vielleicht zu merken oder bewusst wahrzunehmen. Er fordert seine Leser auf, für die verfassungsmäßig zugesicherten Rechte zu kämpfen und diese auch wahrzunehmen. Dies kann jeder durch das Unterzeichnen einer Unterschriftenliste tun, die folgende Dinge von den Politikern dieses Landes fordert:

Schluss mit der Beschneidung bürgerlicher Grundrechte auf Meinungs- und Entfaltungsfreiheit!

Schluss mit der Kriminalisierung von Forenbetreibern – wir fordern eine klare Gesetzesregelung, um fragwürdige Rechtsauslegungen wie die des Hamburger Landgerichts ein für alle Male zu unterbinden. Schluss mit dem Abmahn-Irrsinn, mit dem einfache Bürger drangsaliert und existentiell bedroht werden!

Schluss mit der geplanten, gesetzlichen Bevormundung durch ein Killerspiele-Gesetz! Ein mündiger Bürger dieses Landes soll selbst entscheiden dürfen, was er legal im In- und Ausland an Software kauft und auf seinem PC installiert.

Schluss mit der ausufernden Speicherung von Daten von EU-Bürgern in ganz Europa – nach maximal 6 Monaten sollen Verbindungsdaten ohne hinreichende Verdachtsmomente gegen den jeweiligen Bürger automatisch wieder gelöscht werden.

Das Projekt wirkt sehr ambitioniert und verzichtet auf plakative Sprüche, sondern beschäftigt sich sehr sachlich mit der Problematik. Auf jeden Fall eine Seite die es sich anzuschauen lohnt.

Neben all diesen positiven Ansätzen gab es in der letzten Woche jedoch auch weniger gute Nachrichten. So scheint es in einigen Regionen Deutschlands im Moment in Mode zu kommen, mit Amokläufen zu drohen, so dass die Medien und Gesetzeshüter aufgeschreckt reagieren. Wie ernst es den potentiellen Tätern ist, kann man nicht einschätzen, jedoch sollten sie sich bewusster werden, welchen Schaden sie damit anrichten, wenn es denn ‚Scherzdrohungen‘ waren. Denn der ohnehin schon recht zweifelhafte Ruf der Gamer wird dadurch weiter angekratzt und ganz schnell warten die genannten Institutionen mit Täterprofilen auf, die sich wie die Formulierung eines baden-württembergischen Ministeriumssprechers lesen, der sagte: „Er sei ein Fan von Killerspielen und introvertierter Einzelgänger gewesen, und habe deshalb ins Raster gepasst“.
Durch Mitläufer und Trittbrettfahrer wie diese entstehen nur neue Vorurteile und die Bemühungen um Aufklärung und Dialog werden gestört und negiert.

Eine weitere eher negative Entwicklung spielt sich derzeit im schleswig-holsteinischen Neumünster ab. Wir hatten vor einiger Zeit bereit über die eSport-Sparte des dortigen PolizeiSportVereins berichtet, die auch in der Folgezeit weitergehende Projekte losgetreten hatte. So sollte es eine ‚Player-Card‘ geben, die nur an die Mitglieder der PSV-Sparte ausgegeben werden sollte und gewisse Auflagen für die Spieler mit sich bringen sollte. Unter anderem sollten die Spieler sich selbst verpflichte, regelmäßig Seminare und Aufklärungsveranstaltungen zu besuchen, bei denen sie zu Themen des Jugendschutzes, der Gewaltprävention und Spielsucht informiert werden sollten. Leider hat die Lokalzeitung ‚Holsteinischer Courier‘ nach dem Amoklauf in Emsdetten erneut einen Feldzug gegen die Sparte geführt und deren Schließung gefordert. Aktuell sieht es so aus, dass der PSV-Vorstand von seinem bisher ungetrübten Vertrauen der Sparte gegenüber absieht und sich dem Druck der städtischen Politiker ergibt und die Sparte schließen will. Diese Entscheidung wird massiv durch das Jugendamt der Stadt forciert, dass per Unterlassungsschreiben vom Spartenleiter Mario Riemke fordert, im Jugendfreizeitheim WIttorf, in dem die Trainingsräume der Sparte waren, die entsprechenden Spiele (explizit erwähnt ‚Counterstrike‘ und ‚World of Warcraft‘) von den dortigen Rechnern zu löschen, so das ein normaler Trainigsbetrieb unmöglich wird.
Wir bleiben für euch auf jeden Fall dran, was die weiteren Entwicklungen in dieser Sache angeht.

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