Roadtrip Tag 4 & 5: Hagen und Düsseldorf

Manchmal hat man einfach Glück, so wie ich gestern in Hagen. Es war ja schon ein bisschen riskant, wegen eines Onlineartikels nach Hagen zu fahren, in der Hoffnung, dort ein bisschen StreetArt anschauen zu können, aber ich wurde nicht enttäuscht. In Hagen wurde übrigens 1912 die Firma Brandt gegründet, die wir alle wegen ihres Zwiebacks kennen. Heute war ich dann wieder in Sachen Museumskunst in Düsseldorf unterwegs und habe viele neue Eindrücke und Impulse zu alten Fragen bekommen. Nun bin ich in Köln, wo es morgen weitergeht.

Hagen war als Stadt nicht besonders spektakulär, aber ich wollte ja auch kein normals Sightseeing betreiben, sondern hatte ein klares Ziel – den alten Schlachthof. Außerdem bin ich noch an den Ufern der Volme fündig geworden, wurde also alles in allem für den Schuss ins Blaue belohnt. Dabei finde ich das Bild mit dem religösen Motiv und seinem Bezug zum Schlachtvieh anlässlich der Lage der Eisenbahnbrücke und damit auch der urbanen Einbettung des Bildes sehr gelungen. Während ich dort auf Erkundungstour war, fiel mir auch assoziativ das gute alte WIZO-LIed in den Sinn.

Die Ergebnisse der Erkundung könnte ihr euch auf flickr ansehen.

Heute war ich dann in Düsseldorf in Kunstsammlung NRW K20 Grabbeplatz , K21 im Ständehaus und der Kunsthalle Düsseldorf und das war sehr eindrucksvoll. Bevor ich mich aber ein paar besonderen Eindrücken widme, muss ich mal ein paar Gedanken zum Verhalten des Museumspersonal, das innerhalb der Ausstellungen nach dem Rechten schaut, loswerden. Die geballten Museumserfahrungen der letzten Jahre habe ich in den letzten Jahren vorwiegend im Ausland gesammelt, deswegen bin ich mir nicht sicher, ob meine Beobachtungen ein eher deutsches Phänomen sind. Außerdem habe ich momentan den Eindruck es gibt da ein Nord-Süd-Gefälle, was das eher unangenehme, überwachende Verhalten angeht.

Besonders unwohl habe ich mich heute in den beiden Museen der Kunstsammlung gefühlt, weil ich mich dort wirklich scharf beobachtet fühlte, außerdem war die Präsenz der Mitarbeiter sehr hoch. Das kann ich einerseits auch verstehen, weil die Ausstellung aus vielen freistehenden und beweglichen Installationen bestand, aber trauen die ihren Besuchern wirklich so einen Hang zum Vandalismus oder so viel Tollpatschigkeit zu?

Liebe, Respekt und Baklava

Ich gebe es ja zu, ich habe es dann auch drauf angelegt, weil ich meinen ersten subjektiven Eindruck verifizieren wollte und immer wenn ich mal in eine Ecke eines Raumes gegangen bin, der von der jeweiligen Überwachungsposition nicht einsehbar war, haben die Aufseher ihren Platz gewechselt. Besonders lustig fand ich eine Situation, bei der ein Aufseher mit mitteilte, dass ich meinen Turnbeutel mit minimalem Inhalt nicht in den Raum der nächsten Installation hineinnehmen dürfe. Kein Problem, dann lege ich ihn eben vor die Tür, solange ich drin bin, Das fand er auch nicht gut, denn er könnte dort ja geklaut werden. Ich sagte ihm, dass ich nicht glaube, dass die anderen Besucher so kriminell seien und ich mir da gar keine Sorgen mache. Da lag er nun, mein kleiner Turnbeutel mit seinem „Liebe, Respekt und Baklava“-Schriftzug und der Aufseher fühlte sich sichtlich unwohl. Er tat mir dann doch ein bisschen Leid und ich habe den Beutel nochmal umgedreht. 😉

Doch es hat sich gelohnt, denn dieser Raum von Janet Cardiff und George Bures Miller war sehr interessant gestaltet. Offensichtlich waren an bestimmten Stellen im Raum Bewegungsmelder angebracht, die man beim Gang durch den Raum und das Hinbeugen zu bestimmten Objekten aktiviert hat. Als ich wieder raus ging, kam die Ablösung des Aufsehers und fragt, was da vor der Tür rumliege. Die beiden Aufseher diskutierten dann erst einmal, ob das jetzt wirklich die Regel sei oder nicht, auf jeden Fall hätte ich den Beutel wohl mit reinnehmen dürfen, wenn ich zehn Minuten später gekommen wäre. Auf jeden Fall hat sich aber mein Vertrauen in die Menschheit ausgezahlt und es ist nichts geklaut worden.

In der Kunstsammlung K21 waren verschiedene Räume von unterschiedlichen Künstlern gestaltet worden, was zum Teil ganz spannend war. So hatte beispielsweise Tomás Saraceno seinen Raum mit hängenden Gestellen gestaltet, in denen sehr komplexe Spinnennetze zu sehen waren. Ein weiterer Raum, der mich sehr ansprach und zum Nachdenken anregte, was der Raum von Diango Hernández, der durch eine Grenze getrennt Kuba und die USA dargestellt hat. Auf der kubanischen Seite wird das Obst innerhalb der Installation regelmäßig ausgetauscht, während die Orangen auf der amerikanischen Seite schon ordentlich verschrumpelt aussahen. Es ist schwierig die Wirkung zu beschreiben, aber es lohnt sich auf jeden Fall bei einigen Räumen sehr, sie in Ruhe zu betrachten. Für mehr Infos empfehle ich euch die kurzen Texte und Videos zur Ausstellung.

In der Kunstsammlung K20 hatte ich wieder einige neue Impulse zu meinem persönlichen Disput zum Thema „Titel oder nicht Titel“. So muss ich mich zum Beispiel dringend mit Paul Klee streiten, der sein Bild „Rote Weste“ genannt hat. Ich habe wirklich lange hingeschaut, aber kein Fitzelchen rote Farbe auf dem Bild entdecken können, also … WARUM, Paul Klee?

Paul Klee – Rote Weste

Sehr sympathisch waren mir hingegen die folgenden beiden Kunstwerke hinsichtlich ihrer Namenswahl. Bei „Steppdecke oder Tropenregen“ kommt es vielleicht ja auch auf die Art und Menge der bewusstseinserweiterenden Substanzen an, die man vor der Betrachtung konsumiert hat. Mir ist auch noch einmal aufgefallen, dass ich vor einem Bild mit einem Titel deutlich länger verweile, um mich damit auseinander zu setzen, als vor denen ohne Titel, die sich mir auf den ersten Blick nicht erschließen.

Memphis Schulze – 3,60 m² schön durcheinander (1976)

Konrad Lueg – Steppdecke oder Tropenregen (1966)

Es bot sich auch wieder eine Gelegenheit Kunstgenuss mit Sozialstudie zu verbinden und zwar vor dem Bild „Negertanz“ von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1911.

Erich Ludwig Kirchner – Negertanz (1911)

Während ich darüber nachdachte, ob sich auf dem Bild um ein gleich- oder gemischgeschlechtliches Paar handelt und warum denn beide ein Tutu anhaben, hatte ich einen guten Blick auf die anderen Besucher. Sie kamen in den Raum, sahen sich das Bild an, schauen später auf den Titel und schüttelten in den meisten Fällen empört den Kopf. Doch was tun, ist auch hier wieder die Frage, die schon oft im Kontext von Kinderbüchern und anderen kulturellen Erzeugnissen der pre-politisch-korrekten Zeit diskutiert wurde. Würde man da konsequent vorgehen, müssten auch die Titel von Gemälden geändert werden, was meiner Meinung nach gar nicht geht.

Wusstet ihr übrigens, dass das Stillleben auf französisch nature morte heißt?! Das finde ich etwas skurril.

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